Geschwister-Scholl-Straße am Sonntag
In leichten Kurven ziehen sich die Straßenbahnschienen durch die Häuserzeilen der Geschwister-Scholl-Straße in Potsdam West. Die Straße ist sonntäglich leer, hier und da trifft der Blick des Betrachters auf Flaneure, die das schöne Wetter für einen Spaziergang, vielleicht hin zum nahegelegenen Park Sanssouci nutzen. Andere sitzen auf der Bank in dem kleinen Park nahe der Straßenkreuzung und beobachten die ein- und aussteigenden Fahrgäste der Straßenbahn. Diese wird weiterfahren und wenig später von der Geschwister-Scholl-Straße in die Kastanienallee abbiegen.
Das Bild entsteht 1962. Der junge Künstler Peter Rohn ist zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre zuvor von Brandenburg an der Havel nach Potsdam gezogen und wohnt nun mit Frau und Tochter in der Kastanienallee 10. Im selben Jahr wird Sohn Max geboren. Sicher gehört auch Peter Rohn des Öfteren zu den Spaziergängern, erkundet sein unmittelbares Umfeld und bringt es auf die Leinwand.
Die heutige Geschwister-Scholl-Straße in der Brandenburger Vorstadt zweigt sich von der Zeppelinstraße, der Hauptverkehrsader in Potsdam West ab und verläuft parallel zu ihr bis zur Straße Am Neuen Palais. Während heute im östlichen Teil der Straße – dem Teil, der auch auf dem Bild Rohns zu sehen ist - durch die vielen Geschäfte, Galerien und Cafés ein buntes Treiben herrscht, ist der westliche Teil der Straße geprägt durch luxuriöse Villen mit gepflegten Vorgärten, denen der Park Sanssouci gegenüberliegt. Benannt wird die Straße nach dem Zweiten Weltkrieg nach den Geschwistern Hans und Sophie Scholl. Beide gehören der „Weißen Rose“, einer antifaschistischen Widerstandsgruppe, an und werden 1943 von den Nationalsozialisten wegen sogenannter landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Ursprünglich führt hier eine uralte Wegeverbindung, die „Landstraße nach Werder“, über Wildpark West in die Havelstadt Werder. Im 19. Jahrhundert wird diese Verbindung in „Victoriastraße“ umbenannt - nach Victoria, der Gemahlin von Friedrich III. Ihre markante Krümmung, die Peter Rohn in seinem Bild festgehalten hat, erhält sie bereits 1846 im Zuge des Baus der Eisenbahntrasse von Berlin nach Magdeburg.