Werner Gottsmann
Potsdamer Stadtlandschaft, 1975
Öl auf Hartfaser, 125,5 x 190,2 cm,
sign. u. re.: W. GOTTSMANN/75,
Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Foto: Michael Lüder
In Vorbereitung der X. Bezirkskunstausstellung erhielt Werner Gottsmann vom Rat des Bezirkes Potsdam den Auftrag für ein Gemälde mit dem Arbeitsthema „Potsdam aus heutiger Sicht“. Anders als Generationen von Künstlern vor ihm
nutzte Gottsmann nicht den Brauhausberg als Ausgangspunkt seiner Vedute. Den Berg mit dem dominierenden Gebäude des ehemaligen Reichsarchivs (zur Zeit der Entstehung des Gemäldes Sitz der SED-Bezirksleitung Potsdam, 1991–2014 Sitz des Brandenburgischen Landtags) rückte Gottsmann an den linken Bildrand. Unterhalb des Berges sind die Gebäude der ehemaligen Kadettenanstalt (damals Sitz des Rates des Bezirkes Potsdam, heute Staatskanzlei des Landes Brandenburg), das Scheddach des Reichsbahnausbesserungswerkes und der Schornstein des alten Schlachthofes zu erkennen. Ins Bild hinein folgt der Betrachter einer imaginierten, elegant geschwungenen Vollendung der Nuthestraße, die damals nur bis zur Höhedes Aradosees reichte. Das erst Jahre später vollendete Straßenbauprojekt bot Gottsmann einen offenen Bildeinstieg. Auf der verlassen wirkenden Fahrbahn kommt einem jungen Paar auf einem roten Jawa-Motorrad ein LKW entgegen, über dessen Dach das Interhotel (heute: Hotel Mercure) aufragt. Die Nikolaikirche wird halb verdeckt von den ziegelverkleideten Wohnbauten an der Friedrich-Engels-Straße. Ein Baukran steht inmitten der Hochhäuser im Zentrum Ost und lässt gerade noch den Blick auf den Turm der Kirche St. Peter und Paul frei. Ein weiter Regenbogen überspannt die Szenerie und hält den Himmel über der Stadt zusammen, einzig unterwandert von einem Flugzeug mit unbekanntem Start- und Landeziel und im Nordosten verdeckt von einer nebligen Schleierwolke. 1977 von der Galerie der sozialistischen Gegenwartskunst inventarisiert, ist das Gemälde heute Teil der Sammlung Bildende Kunst des Potsdam Museums.
Werner Gottsmann (1924–2004) stammte aus Schönheide im Erzgebirge. Nach einer kaufmännischen Lehre und einer kurzen Tätigkeit als Textilkaufmann wurde er 1942 zum Kriegsdienst einberufen. In Berlin geriet er 1945 in sowjetische Gefangenschaft und wurde erst nach vier Jahren wieder entlassen. Es folgte ein Berufswechsel. An der Robert-Schumann-Akademie in Zwickau schrieb Gottsmann sich 1950 in der Klasse für Malerei und Grafik ein, drei Jahre später wechselte er in die Meisterschule für Grafik in Berlin. Auf den Abschluss im Jahr 1955 folgten Aufträge im Bereich Buch- und Plakatgrafik und eine Lehrtätigkeit an seinem letzten Studienort. Seit Mitte der 1960er Jahre war Gottsmann Mitglied der SED und bekleidete verschiedene leitende Funktionen im Verband der Bildender Künstler der DDR (VBK), Bezirksverband Potsdam. Ab 1974 war der mit mehreren Preisen ausgezeichnete Maler und Grafiker ausschließlich freiberuflich tätig.