„Selbstporträt vor Abend über Potsdam“ von Lotte Laserstein durch die Ernst von Siemens Kunststiftung für das Potsdam Museum erworben

Neuerwerbung

Das Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte hat seine Kunstsammlung um ein besonderes Werk erweitern können. Das 1950 entstandene Gemälde „Selbstporträt vor Abend über Potsdam“ von Lotte Laserstein wurde von der Ernst von Siemens Kunststiftung aus englischem Privatbesitz erworben und durch dessen Generalsekretär Dr. Martin Hoernes an das Potsdam Museum übergeben. „Für die Ernst von Siemens Kunststiftung war es Ehrensache zu gewährleisten, dass Lotte Lasersteins Selbstporträt seine Heimat in Potsdam findet. Bereits am Erwerb des 1930 entstandenen Schlüsselwerks ‚Abend über Potsdam‘ für die Berliner Nationalgalerie beteiligt, erwirbt die Kunststiftung jetzt das Selbstporträt von 1950, das, Abend über Potsdam‘ erneut in Szene setzt. Beide Werke können nun in nächster Nähe besucht werden und erinnern an die scharfsichtige, leider aus Deutschland vertriebene Künstlerin“, freut sich Dr. Martin Hoernes.

Lotte Laserstein (1898–1993) gehört zu den großen Wiederentdeckungen der letzten Jahre. Durch die von den Nationalsozialisten erzwungene Emigration nach Schweden im Jahr 1937 war die deutsch-jüdische Künstlerin hierzulande lange Zeit in Vergessenheit geraten. Abgeschnitten von der internationalen Kunstszene fand ihr Werk kurz vor ihrem Lebensende 1987 durch die Londoner Galerien Thos. Agnew & Sons und The Belgrave Gallery erstmals öffentlichen Anerkennung.

Eine umfassende Retrospektive 2003 in Berlin, der Ankauf ihres Hauptwerks „Abend über Potsdam“ für die Neue Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin 2010 und nicht zuletzt die überaus erfolgreiche Ausstellung Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht des Frankfurter Städel Museums und der Berlinischen Galerie 2018/19 haben die Malerin inzwischen wieder einem breiten Publikum bekannt gemacht.

Teil der Ausstellung war auch Lasersteins „Selbstporträt vor Abend über Potsdam“, das einen ganz unmittelbaren Bezug zum „Abend über Potsdam“ besitzt. „Mit der Erwerbung kehrt ein bedeutendes Werk der einst aus Deutschland geflüchteten Künstlerin wieder an den Ort ihres künstlerischen und persönlichen Wirkungskreises zurück,“ resümiert die Kulturbeigeordnete Potsdams Noosha Aubel. 

Die Künstlerin schuf es im schwedischen Exil 1950 rückbesinnend auf die Berliner und Potsdamer Zeit. Der Abend an einer langen Tafel auf einer Potsdamer Dachterrasse, vermutlich am westlichen Ende der Gregor-Mendel-Straße ist der Schauplatz des Hauptwerks, verbunden mit der Bildsprache des letzten Abendmahls und dem Panorama auf das historische Zentrum Potsdams mit Nikolaikirche und unzerstörter Garnisonkirche. Die Desillusion und Orientierungslosigkeit am Beginn des aufziehenden Nationalsozialismus wird in dem Bild mit künstlerischer Perfektion ins Bild gesetzt.

Lotte Laserstein war dieses Werk, das sie im Kreis der Potsdamer Freunde initiierte, so wichtig, dass sie es mit ins schwedische Exil nahm und über Jahrzehnte im eigenen Besitz behielt. Sie muss es selbst als Schüsselwerk ihrer Kunst wertgeschätzt haben. In Schweden stellte sie den Abend über Potsdam mehrfach – stets unverkäuflich – unter dem Titel Mina Vänner (Meine Freunde) aus. Bis zu ihrer Veräußerung 1987 in der Londoner Galerie Agnew‘s hing die großformatige Holztafel in Lasersteins Wohnzimmer. „So ward ihr mir immer nahe“, schrieb sie später an ihr ehemaliges Lieblingsmodell und enge Freundin Traute Rose, über die Darstellung der Gruppe junger Menschen, die sich seinerzeit auf einer Dachterrasse versammelt hatte.

Die Reflektion auf den „Abend über Potsdam“ macht das Selbstporträt von Lotte Laserstein inhaltlich und kompositorisch überaus wertvoll. Dr. Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, bezeichnet das mittelformatige Porträt ein für die Potsdamer Sammlung überaus wichtiges Schlüsselwerk und dankt der Ernst von Siemens Kunststiftung für ihr großes Engagement.

Zu sehen ist die knapp über 50-Jährige in ihrem Studio in Stockholm – statt dem Ausblick aus ihrem Atelier wählt sie den Rückblick auf ihr eigenes Schaffen und die Zeit des beginnenden politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Niedergangs. Die Komposition ihres Hauptwerks dominiert als Bildzitat das Selbstporträt. Sie verarbeitet aber nicht nur ihren Gang ins Exil, sondern zieht zugleich Bilanz und wählt den Rückgriff als Ausgangspunkt und Energiequelle für ihr aktuelles künstlerisches Schaffen.

Das Potsdam Museum möchte dem Werk im Rahmen der neuen Ständigen Ausstellung 2023 eine öffentliche Präsenz und Sichtbarkeit verleihen. Die Bezüge zur Stadt im Kontext der frühen 1930er Jahre sind ebenso von großer Bedeutung, wie die hohe künstlerische Qualität von Lotte Laserstein.